Montag, 21. April 2014

Das Reiseparlament - Ein Gedankenexperiment

Vor einer Weile kam ich bei einem kurzen Twittergespräch mit Jan Falk auf den Gedanken, dass das EU-Parlament ja nicht unbedingt an einem Ort kleben muss, sondern auch einen pendelnden Hauptsitz haben könnte. Anlässlich Stefans Überlegungen zu einer europäischen Identität habe ich versucht, meine spontane Idee zu konkretisieren.

Heute ist es so, dass das Parlament seinen eigentlichen Sitz in Straßburg hat. Dort finden aber lediglich 12 mal im Jahr Plenarsitzungen statt, während die Fraktionen und Ausschüsse hauptsächlich in Brüssel arbeiten. Das Generalsekretariat hat zudem noch seinen Sitz in Luxemburg, warum auch immer. 

Meine Idee war jetzt, dass zwar die Hintergrundarbeit weiterhin in Brüssel stattfinden könnte, das Parlament aber - zumindest für die wichtigen Sitzungen und Debatten - keinen festen Sitz mehr haben muss, sondern turnusmäßig durch sämtliche Hauptstädte Europas ziehen könnte. Diese Stadt wäre dann solange EU-Hauptstadt oder meinetwegen Parlamentshauptstadt. So wie der EU-Vorsitz regelmäßig wechselt, könnte auch das Parlament alle paar Jahre seinen Sitz wechseln.

Die Symbolik stelle ich mir großartig vor. Man könnte an Karl den Großen anknüpfen. Den Vater Europas, der ja auch keinen festen Regierungssitz hatte, sondern seine Hauptstadt immer da hatte, wo er gerade seine Zelte aufschlug. Nebenbei war er noch Erfinder bzw Weiterentwickler der Bürokratie, was ja auch ganz wunderbar passen würde. Und wie damals sollte es für die jeweils ausgesuchte Stadt natürlich eine große Ehre sein, das Parlament zu beherbergen.
Der Einzug des Parlaments könnte mit einem großen europäischem Fest begleitet werden, Kulturveranstaltungen, Ausstellungen oder Aufführungen. Zudem könnte man gleichzeitig eine große Kampagne in puncto Bürgernähe fahren, nach dem Motto "Wenn Du nicht zum Parlament kommst, kommt das Parlament zu dir" Es würde wahrscheinlich schon ausreichen, wenn lediglich die großen Debatten an diesen Ort verlegt werden, an denen die Bürger - ähnlich wie heute im Reichstag - als Besucher zuhören könnten. Wichtige Debatten des EU-Parlaments könnten so auch massiv aufgewertet werden, denn wenn etwas vor der Haustür stattfindet, ist das ganze vielleicht doch interessanter. Wenn das ganze EU-Parlament gerade in Berlin tagt und debattiert, könnte ich mir schon vorstellen, dass Phönix dann auch mal eine Euro-Debatte übertragen möchte.
Drumherum könnte man noch weitere Kampagnen initiieren, vielleicht Bürgersprechstunden mit den Parlamentariern oder die Parlamentarier reisen in Gruppen durch das jeweilige Land, um sich das ganze mal genauer anzusehen. Auch das Gastland könnte für diese Zeit in den Fokus rücken und genauer angesehen, bereist oder vorgestellt werden. Vielleicht mit einer Sonderdebatte zum jeweiligen Gastland. Das wäre auch ein toller Beitrag für die Völkerverständigung. Besser als wenn ein paar Eliten aus 28 Ländern in einem Elfenbeinturm namens Brüssel verschwinden und kaum noch gesehen werden. Vielleicht, ganz vielleicht würden den Parlamentariern sogar noch andere praktische, aber lösbare Probleme einfallen als Roaming-Gebühren. Die Wichtigkeit des Schengen-Abkommens, wenn man nach Bukarest will, marode Straßen auf dem Weg nach Rom, hungernde Obdachlose in Athen oder langsames Internet in Teilen Deutschlands.

Ja, das ganze wäre natürlich ziemlich aufwendig. Die Leute müssten einen Saal für die Debatten finden, irgendwo wohnen, essen, hin und herreisen usw. Aber wir leben eigentlich in Zeiten, in denen diese Probleme nicht mehr unüberwindbar sind. Alle zwei Jahre ist irgendwo EM oder WM, dafür hat man mittlerweile sogar ganze tragbare Fußballstadien! entwickelt, ein paar Parlamentarier sollten eigentlich ein Klacks dagegen sein. Gleichzeitig wäre der Status als zeitweilige Eu-Hauptstadt sicherlich auch ein Wirtschaftsfaktor, wie dies eben auch bei einer EM angeführt wird.
Die Vorteile wiegen den Aufwand meiner Meinung nach auf. Die Symbolkraft könnte enorm sein, wenn man das selbstbewusst verkauft. Das EU-Parlament (meiner Meinung nach die einzig voll legitimierte demokratische Instanz im EU-Zirkus) würde eine enorme Aufwertung erfahren und vor allem auch viel sichtbarer sein als heutzutage. Zudem hätte man noch eine größere Bürgernähe und einen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet. Ich glaube, solch eine Aktion könnte durchaus lohnenswert sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen